Für dieses Treffen haben wir extra ein Wort erfunden: Den Zimtschnecken-Schnack. Das Wort ist noch kein Hashtag, gewiss aber bald in aller Munde. Buchstäblich. Zum ersten Zimtschnecken-Schnack in unserem Café mit Showroom Holz & Hygge in Jena erwarteten wir René Løt. René ist Inhaber und Geschäftsführer von applicata, einem aufstrebenden dänischen Designlabel aus dem Großraum Aarhus. Von applicata haben wir unter anderem die wunderschönen Kerzenständer LILY, ROSE und TULIP, unsere zeitlosen Holzvasen TORSO und witzige NIPPLE Kleiderhaken im Sortiment und für das Treffen sind Franziska und Stefan extra früh aufgestanden, um zu backen.
Holz & Hygge im Interview mit René Løt von applicata | Jena – 01. Februar 2018, 11.30 Uhr
GUTEN MORGEN RENÉ, WAS BEDEUTET DIR PERSÖNLICH HYGGE?
Eine Tasse Kaffee, ein gutes Buch und eine halbe Stunde Ruhe. Eine Kerze darf dabei nicht fehlen.
UND WAS BEDEUTET HYGGE NUN FÜR DIE MEISTEN DÄNEN?
Für uns ist Hygge zuhause, wenn alle beisammen sind. Ich habe zum Beispiel drei Jungs und mag es, wenn sie sonntagmorgens von selbst in die Küche kommen, ohne dass man sie wecken muss. Der Duft nach selbstgebackenen Brötchen und frischen Zimtschnecken lockt sie. [Beißt in eine Zimtschnecke] Oh, die sind ja gut! Ist da Butter drin?
JA. BUTTER, ZIMT UND EIN BISSCHEN KARDAMOM. MEHR WIRD NICHT VERRATEN.
Natürlich nicht. Jede Familie in Dänemark hat ihr kleines Kanelsnorre-Geheimnis. Ich mache die Zimtschnecken und die Brötchen für unser Familienfrühstück immer aus einem Teig nach demselben Rezept und trotzdem sind sie immer ein bisschen anders. Aber gerade dass sie immer anders werden und dass wir dann alle fünf zusammenzusitzen, um zu frühstücken, das ist Hygge.
HAT SICH DAS HYGGE-GEFÜHL ÜBER DIE ZEIT VERÄNDERT?
Ja. Der dänische Sommer, den ich aus meiner Kindheit in Norddänemark kenne, den gibt es nicht mehr.
WARUM NICHT?
Irgendeine Zeitung titelte vor ein paar Monaten sehr treffend: „Der dänische Sommer fiel dieses Jahr auf einen Mittwoch.“ Es ist einfach meistens schlechtes Wetter. Das war in meiner Erinnerung anders. Wir haben ein kleines Haus am Meer mit Strandrecht geerbt. Sowas muss man erben, das findet man heute gar nicht mehr. Und da sind wir dann trotz schlechten Wetters im Sommer gerne, laufen den ganzen Tag am Strand herum und holen uns abends frischen Fisch. Gebratene Scholle auf Brot mit Mayonnaise, ein Paar Krabben und Dill, die Familie, die Nähe zur Natur am Meer – auch das ist sehr Hygge.
DIE LIEBE ZUR NATUR SPÜRT MAN AUCH IN EUREN PRODUKTEN, DIE FAST AUSSCHLIEßLICH AUS NACHHALTIG ANGEBAUTER EICHE GEFERTIGT WERDEN. WOHER KOMMT DIE DÄNISCHE FASZINATION FÜR DIE EICHE? EIGENTLICH JA EIN SEHR DEUTSCHER BAUM…
Das stimmt. Wir beziehen auch viel Holz aus dem Spessart. Aber die Menschen verbinden mit skandinavischem Stil helles Eichenholz, denn früher gab es tatsächlich sehr viele Eichen in den dänischen Wäldern: Der König hat sie vor 150 Jahren anpflanzen lassen, für den Schiffsbau. Dann aber musste man für die Flotte eher Stahl verwenden. Mittlerweile gibt es kaum noch Eichen in Dänemark und wir müssen das Holz wie gesagt importieren. Die Holzpreise sind weltweit enorm gestiegen: Eiche ist jetzt dreimal so teuer wie vor fünf Jahren! Deshalb ist es gut, dass wir bei vielen Accessoires auf eine Art doppelte Nachhaltigkeit setzen, was aber auch eine lange Tradition hat.
DOPPELTE NACHHALTIGKEIT? ALL EURE PRODUKTE SIND AUS FSC-ZERTIFIZIERTEM HOLZ, ALSO AUS NACHHALTIGER, UMWELTFREUNDLICHER FORSTWIRTSCHAFT. ABER WAS IST DER ZWEITE ASPEKT?
Wir recyclen Holz. Aus dem Holz, das für unsere BLOSSOM-Kerzenständer benutzt wird, werden größere Möbel gemacht. Die Maße sind so ausgeklügelt, dass Reststücke verarbeitet werden, dass möglichst wenig Holz zu Spänen wird. Aber diese Idee hat im europäischen Handwerk eine jahrhundertelange Tradition – schon immer haben Tischler aus kleineren Holzstücken Knäufe, Haken und in Dänemark eben auch Kerzenständer gedrechselt. Gerade für diese Umsichtigkeit schätzen wir die lokale Produktion, den direkten Kontakt zu unseren Handwerkern.
APPLICATA IST, WIE HOLZDESIGNPUR, EIN ECHTES FAMILIENUNTERNEHMEN, AN DESSEN SPITZE EIN EHEPAAR STEHT. WIE IST DAS, ZUSAMMEN ZU LEBEN UND ZU ARBEITEN?
Das werden wir oft gefragt! Für uns ist das genau das Richtige, meistens jedenfalls. Schon unsere beiden Eltern haben das so gemacht, wir sind in Familienbetrieben aufgewachsen. Aber wir haben die Kompetenzbereiche klar getrennt: Ich bin für Produktion und Vertrieb zuständig, meine Frau Mette kümmert sich um alles Kreative, zum Beispiel das Marketing.
WER WÄHLT AUS, WELCHE DESIGNS IN DIE PRODUKTION GEHEN?
Das machen wir gemeinsam. Wir suchen auch gemeinsam nach jungen, talentierten Architekten, die für uns arbeiten könnten.
ARCHITEKTEN? NICHT PRODUKTDESIGNER?
In der Regel haben Architekten eine noch intensivere Ausbildung an einer Hochschule hinter sich. Nicht wenige unserer Designer zum Beispiel haben an der renommierten Arkitektskolen in Aarhus studiert, wo applicata seinen Sitz hat. Wir mögen es, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die genau wissen, was sie tun und die Entwürfe anbieten, die man auch umsetzen kann. Neulich habe ich eine Mappe mit etwas zugeschickt bekommen, das wunderschön war, das man aber aus Glas einfach nicht herstellen kann. Leider haben wir die Erfahrung gemacht, dass echte Kreative sich nicht so gut verkaufen können und dass diejenigen, die aus sich raus gehen und sich gerne verkaufen, nicht so kreativ sind. Anne Boysen, die Designerin, die unsere minimalistischen Häuschen entworfen hat, haben wir zum Beispiel vor ein paar Jahren auf einem Weihnachtsmarkt entdeckt und angesprochen, da studierte sie noch. Mittlerweile entwirft sie Sofas für die namhaftesten dänischen Hersteller.
HAST DU DENN EIN PERSÖNLICHES LIEBLINGSPRODUKT IM APPLICATA-SORTIMENT?
Das ändert sich immer mal. Im Moment aber bin ich ganz vernarrt in unseren dreibeinigen Beistelltisch mit kontrastfarbiger, etwas tieferer Ablagefläche und diesen kleinen hölzernen Verbindungen. Den Tisch finde ich super elegant.
DAS HOLZ SIEHT RECHT DUNKEL AUS. IST DAS ÜBERHAUPT EICHE?
Ja, aber geölt. Ich denke, dass diese wärmeren Töne jetzt wieder im Kommen sind. Auch Esche ist ein interessantes Holz. Buche wächst viel, aber es ist nicht so im Trend. Wir fertigen daraus unsere lackierten Kerzenständer, weil das Holz nicht so offenporig ist.
DIE KERZENSTÄNDER SIND EIGENTLICH GANZ SCHÖN SCHWER, DAFÜR, DASS SIE NUR AUS HOLZ SIND ….
… das ist Absicht! Der Trick ist, sie unten extra zu beschweren, so fallen sie nicht so leicht um, obwohl sie so lang und schlank sind.
DAS IST JA AUSGEKLÜGELT! BLEIBEN WIR MAL BEI BLOSSOM: DU HAST NEUE FARBEN MITGEBRACHT, EURE DESIGNS ABER SIND STETS ÜBER JAHRE ERHÄLTLICH, NICHT BLOß EINE SAISON. STECKT AUCH DAHINTER EURE PERSÖNLICHE PHILOSOPHIE?
Auf jeden Fall. Wir machen nur Sachen, die für uns persönlich Sinn ergeben, auch wenn sie kommerziell gesehen vielleicht gar keinen Sinn ergeben. [lacht] Ich brauche drei Jahre, um herauszufinden, ob ein Produkt funktioniert. Und diese Zeit sollte man ihm auch geben. Der Baum ist ja auch über Jahre gewachsen, bis er zum Rohstoff für unser Design werden konnte. Davor habe ich Respekt und ich wundere mich immer, wenn Firmen ihre Kollektionen jede Saison komplett ändern. Für mein Gefühl hätte ich dann etwas falsch gemacht.
VIELEN DANK FÜR DIESEN TOLLEN ZIMTSCHNECKEN-SCHNACK, RENÉ!